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Mittelmeerfahrt mit der SY Florette nach Capri, Ischia und den Äolischen Inseln (Italien), August 2004

Von Peter Rachow

Zu Beginn des August 2004 brachen wir zu unserer inzwischen zweiten Reise mit der SY Florette durch das Mittelmeer auf. Die Route führte zunächst von Vibo Valentia auf dem süditalienischen Festland nach Capri, dann nach Ischia. Von dort ging es weiter nach Procida und Sorrent und dann wieder zurück nach Capri. Nach dieser ersten Woche wurden die Äolischen Inseln angefahren, die bereits bei unserer ersten Reise im Jahre 2000 besucht wurden. Zuerst Stromboli (auf der sich der gleichnamige Vulkan befindet), dann Panarea und danach Lipari. Weiter ging es nach Vulcano, dann – etwas ungeplant – wieder zurück nach Lipari, da ein Teilnehmer der Reise einen leichten Dekompressionsunfall erlitten hatte und ärztliche Versorgung brauchte. Zum Abschluss ging es dann noch einmal nach Panarea, von wo der letzte Teil der Fahrt startete: der Rückweg zum Festland bei Vibo.

Zur Geographie der Äolischen Inseln

Die 7 großen und 11 kleinen Inseln dieses Archipels liegen ca. 25 bis 60 km nördlich von Sizilien im Tyrrhenischen Meer. Sie sind vulkanischen Ursprungs. Die wohl bekannteste Insel dürfte Stromboli sein, auf der sich einer der heute noch aktivsten europäischen Vulkane befindet. Andere bekannte Inseln sind Vulcano, Lipari und Salina. Von der Hauptinsel (Lipari) haben die Inseln auch ihren Zweitnamen, „Liparische Inseln“. Die Italiener, die nicht auf Lipari wohnen, hören den aber nicht so gerne, so dass die Inseln in Italien „Isole Eolie o Lipari“ heißen, womit wohl jedem gedient ist. Verwaltungstechnisch gehören die Inseln zu Sizilien.

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Die Florette ist ein zweimastiges historisches Segelschiff, das in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als Marmorfrachter in Dienst gestellt wurde. Nach zahlreichen Um- und Einbauten dient es heute als Touristenschiff, das im westlichen Mittelmeer kreuzt. Das Schiff ist in einem guten Zustand, verfügt über einen Motor, der ihm eine Geschwindigkeit von 5 bis 7 Knoten verleiht, und ist ausgestattet mit der heute gängigen Infrastruktur wie einem Generator für 230 V Spannungsversorgung (der tagsüber und abends insgesamt ca. 16 bis 20 h pro Tag läuft, bei Nachtfahrten auch rund um die Uhr), mehreren Duschen und Toiletten. Auch die üblichen nautischen Hilfsmittel sind vorhanden: Radar, Echolot, GPS-Navigation, etc. Für den Transport der Taucher stehen zwei Schlauchboote mit ausreichender Motorisierung zur Verfügung. Das größere der Boote ist mit Echolot ausgestattet, so dass die Taucher genau über der gewünschten Tiefenlinie in das Wasser gelassen werden können.
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Die Gäste wohnen in Doppel- oder Dreierkabinen unter Deck. Leider ist der Komfort der Kabinen – auch durch die Bauart des Schiffes bedingt – sehr gering. Sie sind sehr klein, verfügen über keine Klimaanlage oder wenigstens einen Ventilator und sind daher bei den hohen Temperaturen im Sommer nachgerade unerträglich heiß. Die höchste Temperatur, die wir messen konnten, betrug 36°C in der Kabine. Auch nachts fällt die Temperatur selten unter 28°C, da sich auf Grund der Tatsache, dass die einzige Möglichkeit der Belüftung ein relativ großes Oberlicht ist, die Hitze in der Kabine staut. Schlafen in der Kabine wird dadurch höchst problematisch. Nach kürzester Zeit schwimmt man auf seiner Schaumstoffmatratze im eigenen Saft und ringt nach Luft. An Durchschlafen war kaum zu denken. Prinzipiell besteht zwar die Möglichkeit, die Nacht auch an Deck zu verbringen, doch stellt sich hierbei angesichts von mehr als zwanzig Personen an Bord zum einen ein gewisses Platzproblem, wenn alle an Deck schlafen wollten, und zum anderen ist die gesamte hierfür benötigte „Ausrüstung“ von zu Hause mitzubringen: (nach Möglichkeit gepolsterte) Iso-Matte, da es keinerlei Schaumstoffmatten als Unterlagen an Bord gibt, sowie ein Wasser abweisender Schlafsack, da es im Morgengrauen dann doch nass-kühl wird, die Verwendung des Bettzeugs aus den Kabinen (deswegen) an Deck aber nicht gestattet ist.

Es wurden täglich Frühstück, Mittag- und fallweise Abendessen angeboten (ca. jeden zweiten Tag wird an Land gegessen, da wir für eine Woche Voll- und für eine Woche Halbpension gebucht hatten). Das Essen ist gut, abwechslungsreich und naturgemäß (es müssen über 20 Personen auf einmal verpflegt werden) eher einfach gehalten.

An Bord gibt es Getränke zu kaufen, der Verbrauch wird in eine Strichliste eingetragen. Die Preise sind sehr hoch. So kostet eine 0,5 l-Dose Getränk (Pepsi-Cola, Orangenlimonade, Bier) 2,60 € (mehr als 5 DM nach alter Währung!). Eine 2-Liter-Flasche Mineralwasser schlägt mit 1,80 € (ca. 3,50 DM) zu Buche. Die Einkaufspreise der jeweiligen Artikel liegen übrigens deutlich niedriger. Schaut man im „Alvi“-Markt in Vibo nach (dem Hafen, von wo aus das Schiff ablegt), in dem u.a. die erwähnten, an Bord erhältlichen Getränkeartikel angeboten werden, so kostet dort die identische Orangenlimonade 0,40 €, Pepsi-Cola 0,42 € und das Bier (Tuborg) 0,75 € pro Dose. Mineralwasser ist im Discounter für 0,30 € je Flasche im 6er-Pack im Angebot. Die Preise auf der Florette liegen demnach zwischen dem 3 1/2- und dem 6-fachen (!!) des Einkaufspreises. Dies ist meiner Meinung nach auch unter nötiger Berücksichtigung des Belieferungsaufwands nicht gerechtfertigt. Des Weiteren war auch der Kaffee, der außerhalb des Frühstücks getrunken wurde, extra zu bezahlen (0,80 € pro Tasse bzw. eine bestimmte Pauschale für den ganzen Urlaub), was dann doch einigermaßen kleinlich wirkt, insbesondere, wenn man bedenkt, dass für die gesamte 2-wöchige Kreuzfahrt bereits ca. 1600,- € pro Person inkl. Tauchpaket (20 TG) entrichtet werden müssen. So fallen am Ende der Reise erhebliche Zusatzkosten an. Eine 4-köpfige Familie bezahlte beispielsweise 300,- € alleine für die Getränke an Bord.

Tauchen

Das Tauchen war letztendlich der positive Aspekt der Reise. Unvergleichliche Tauchplätze, mit die schönsten Tauchgänge, die man machen kann. Und man kann sie so gestalten, wie man es selbst für richtig hält. Da es an Bord keine Diveguides gibt (was aber nicht bedeutet, dass sich nicht doch die allfälligen Wichtigmacher fanden, davon aber später mehr) wurden die traditionellen Vorgehensweisen des Tauchsports angewendet: individuelle Tauchgangsplanung, eigenverantwortliches Tauchen in 2er- oder 3er-Gruppen bzw. bei Bedarf auch Solotauchen. Die Tauchbedingungen sind also für Sporttaucher, die Tauchen ohne die heute übliche Gängelung suchen, fast ideal.

Die Tauchplätze waren reich an stark diversifizierter Flora und Fauna. Es handelte sich i. W. um Steilwände oder steile Abfälle mit Neigungen von über 45°. Die Tauchtiefen lagen i. d. R. zwischen 60 und 80 Metern, wobei es innerhalb der anwesenden Gruppe aber auch einzelne Komiker gab, die sich absichtlich vom Schlauchboot über völlig uninteressanten Sandflächen bei 90 bis 100 Metern Wassertiefe aussetzen ließen, um notfalls eben auch ‚gewaltsam‘ auf den nötigen N 2 -Partialdruck zu kommen. Derlei „Notabstieg“ habe auch ich mir einmal, allerdings eher zwangsweise, vor Sorrent angetan, als der Abwurfpunkt vor der Küste nämlich zu weit entfernt von der Uferlinie war und ich dann auf der 84 m-Linie landete und dort infolge schlechter Sicht und eines völlig konturlosen Sandbodens satt in einer vermutlich sehr lustig aussehenden Staubwolke aufschlug. Ha, ha! Immerhin ein guter Gag, aber einigermaßen unergiebig und daher als dauernde Methode, einen Mittelmeertauchgang zu beginnen, aus meiner Sicht eher weniger erstrebenswert.

Die Tauchzeiten betrugen aufgrund der langen Dekompressionsphasen immer mehr als 60 Minuten. Die Tauchflaschen werden mit einem Bauer-Kompressor gefüllt, der sich im vorderen Bereich des Schiffes befindet. Der Fülldruck der Tauchflaschen war bei meinen Flaschen immer ca. 220 bar.

Tauchergruppendynamik

Eine der Begleiterscheinungen bei solcherart Gruppenreise ist, dass man Leute, die man vorher in der Mehrzahl der Fälle allenfalls aus der Distanz kannte (i. e. ausschließlich durch das Internet und auf Basis ihrer dort veröffentlichten Beiträge), hier durch das zweiwöchige Zusammenleben auf engstem Raum zwangsläufig näher kennen lernt. Das kann gut gehen, muss aber nicht. Und so stellt der geneigte Reisende dann plötzlich fest, dass der eine oder andere vorher durchaus nicht unsympathische Mensch sich unversehens als ziemlich nervtötender Zeitgenosse entpuppt.

Derlei Findungsvorgänge geschehen dann insbesondere vor dem Hintergrund der üblichen gruppendynamischen Prozesse, bei denen Individuen den für sich selbst als angemessen angesehenen Platz in der Gruppe von eben dieser einfordern. Da gibt es dann die „Anführer“, die „Adjutanten“, die „Kritiker“, die die gewünschte Autorität des Anführers unterlaufen, und die schweigende Masse. Sie lesen hier übrigens gerade den Beitrag des „Kritikers“. ;-))

Besonders wichtig sind demnach die „Anführer“, die ganz oben in der Hierarchie stehen (wollen). Ein besonders krasses Beispiel, wohin die notwendigen Profilierungsversuche auf dem Weg zur Spitze der Gruppe führen können, war denn auch ein Mittaucher, der in der entsprechenden Newsgroup gerne durch langatmige Beiträge auffällt, in denen er durchweg liberale Positionen vertritt (gegen Diveguides, gegen Bevormundung jedweder Art, für Eigenverantwortung, für das fallweise ausgeübte Recht auf Selbstgefährdung beim Tauchsport, etc.), sich dann aber in der Wirklichkeit zum Chef an Bord aufzuschwingen versucht, der als Kombination aus Gruppenführer, Hilfskapitän und Alleswisser zu allem und jedem (notfalls auch zur Konstruktion von Bassgitarren-Verstärkern ) eine – und zwar die stets richtige! – Meinung hatte, die er dann auch ständig kundtun und dabei das letzte Wort behalten musste, selbst wenn er sich dabei im Ergebnis allenfalls durch fehlende Sachkenntnis profilierte. Er fiel meiner Partnerin und mir bereits nach wenigen Tagen insbesondere dadurch auf, dass er durch ständige ebenso altkluge wie weitgehend sinnfreie Ratschläge den anderen Mitreisenden deutlich machen wollte, über welchen seemännischen (schließlich machte er die Reise zum x-ten Male) und taucherischen Erfahrungsschatz (er ist immerhin praktizierender Urlaubstaucher!) er verfüge und was andere doch alles noch von ihm lernen konnten. Derlei Verhalten ist natürlich besonders dazu geeignet, von den anderen Mitgliedern einer Tauchgruppe die Meinungsführerschaft zugesprochen zu bekommen. Sein Wein- und Zigarettenkonsum und seine extrem dicke Wampe zeigten seine Sportlichkeit übrigens in aller Deutlichkeit. „Kotzbrocken“ war wohl eine eher untertreibende Bezeichnung für den Herrn.

Wie weit Anspruch und Wirklichkeit in diesem speziellen Falle aber dann doch auseinander lagen, wurde an schönen Beispielen deutlich. Eines davon: Eben jene Person, die sich wohl für den Tauchmeister par excellence zu halten pflegt, hatte keine Probleme, die Tatsache, dass ein Mittaucher (namentlich der Autor dieses Textes) das ankerlos treibende Schiff am Ende des Tauchgangs antauchte, um an Bord zu gehen, lautstark als immer, unter allen Umständen und ausnahmslos hochgradig gefährlich und verantwortungslos (insbesondere dem Schiffsführer gegenüber) anzugehen. Dass der Autor seine Entscheidung im konkreten Fall aber gerade deswegen so und nicht anders getroffen hatte, weil das Schiff hier in geringer Entfernung bei offensichtlich völlig ruhiger und strömungsfreier See ortsfest vor sich hin dümpelte und auch keinen Anlass hatte, sich von dort wegzubewegen, weil es auf das Schlauchboot wartete, das gerade ein Häuflein der übrigen Taucher aufsammelte, wurde ganz im Sinne der sonst doch immer so vehement kritisierten generalisierenden Sichtweise der Dinge gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Denn genau da liegt die Krux. (Vordergründige) Liberalität und der Satz „Das tut man nicht“ passen eben nicht zusammen. Es stellt sich also die Frage: warum hat der Herr eigentlich so derartig panische Angst vor dem Anschwimmen des (sein Lieblingswort) „treibenden Schiffes“? Nun, irgendwann wird er mal „gerlernt“ haben (also vom Hörensagen erfahren haben) dass, „man“ das eben nicht tut.

Exkurs: Warum stirbt man zwangsläufig bei solch einer Aktion? Versuchen wir, auf diese Frage eine Antwort zu finden und machen ein Gedankenexperiment. Stellen wir uns die Situation also zuerst einmal vor. Der Kahn (fast 40 Meter lang, eine Masse wie mindestens eine Diesellokomotive, wahrscheinlich mehr, und ausgerüstet mit einem schwachen Antrieb) treibt bei völlig ruhiger Wassseroberfläche strömungs- und damit bewegungslos dahin. Ein Mensch befindet sich im Wasser am vorderen Ende des Bootes wo sich der Einstieg mit Leiter befindet. Es sei, so argumentierte der Obertaucher, gefährlich, weil man nun von der Schraube des Schiffes zerstückelt werden könnte. Stimmt. Man kann grausig zerfetzt werden. Wenn man 20 Meter zum Heck schwimmen und dann noch mal 2 m untertauchen würde und sich zügig in die Mitte des Rumpfes begeben würde, ja, dann könnte man tatsächlich in die Schraube geraten. Wenn die sich denn drehen würde und der schwimmende Mensch so exorbitant blöd wäre, zum Heck zu paddeln. Dann hätte er es aber wirklich nicht besser verdient. Oder, andere Möglichkeit, man könnte vom Rumpf des Schiffes, das sich unversehnds auf einen zu bewegt, gaaaanz schlimm „zerquetscht“ werden? Geht das? Hier hilft uns die Physik. Wir wissen: Ein Schiff hat eine große Masse und ist daher träge. Der Taucher hat eine kleine Masse und ist daher beweglich (nicht besonders träge). Das Schiff komme nun auf den Taucher zu. Der Taucher wird nun mitnichten zermalmt (wogegen denn auch) sondern sanft weggeschoben (große Masse gegen kleine Masse), wenn er sich nicht selber vom Schiff absößt (was die natürliche Reaktion wäre). So etwas habe ich tatsächlich mal am Bodensee (üb)erlebt, als das Tauchschiff, das mich wieder an Bord nehmen sollte, auf mich zukam und mich touchierte, einfach weil der Kapitän unaufmerksam war. Ich habe überlebt, wenn auch nur knapp ;-). Also auch Blödsinn. Dritte Möglichkeit: Ein anderes Schiff erscheint (woher denn ist eine andere Frage, eventuell ja der „fliegende Holländer“) und man wird zwischen beiden Booten eingeklemmt. Eingeklemmt zwischen Rümpfen, von denen zumindest einer an der Bordwand nicht senkrecht geschnitten (wie ein modernes Frachtschiff z. B.) ist so dass immer ein Hohlraum knapp oberhalb der Wasseroberfläche verbleibt? Und wenn nicht? Na und, dann taucht man halt in Gottes Namen ab. Schließlich ist man Taucher und kein Schwimmer. Fazit: Alles Blödsinn in der konkreten Situation. Dummschwatz und Wichtigmacherei eines profilierungssüchtigen Hobbykapitäns eben.

Apropos „profilierungssüchtig“. Spannend war auch, was ungezählte „Experten“ (meistens Hobbykapitäne und solche, die es werden wollen) in der Newsgruppe de.rec.sport.tauchen zu dem Thema beizutragen wussten. Brrrr, schüttel! Einzelheiten erspare ich mir und Ihnen, kann aber zumindest soviel sagen, dass hier mal wieder eine bunte Mischung aus Moralin in erhöhter Konzentration („mit Dir will ich nie auf einem Schiff sein!“), äußerst gewagten Unterstellungen, sehr dürftig belegten Hypothesen, gekonnt rekapituliertem Hörensagen, „realen“ (oder eben das, was man im Einzelfalle als „real“ ansieht) Alltagserfahrungen gepaart mit der üblichen Fabulierwut der Netztaucher zu einer schönen aber letztlich schwer verdaulichen Melange angerührt wurde. Nach 3 Tagen konnte ich mir das unsägliche Geschreibe leider nicht mehr antun und habe die Gruppe deabonniert.

Kommen wir zurück zur Person des „Obertauchers“ und potenziellen Gruppenanführers. Denn auch wenn er selber das Verhalten anderer kritisierte so war er mitnichten das entsprechende Vorbild, denn plötzlich zeigte dieselbe Person nur wenige Tage später ein herausragendes Beispiel an Verantwortungsbewusstsein, als sie sich nach einer Nacht mit, wie es Mediziner schön umschreiben, „exzessivem Alkoholkonsum“, der bis in die frühen Morgenstunden dauerte (die Teilnehmer an dem ausgedehnten Umtrunk sahen beim Frühstück daher allesamt heftig angeschlagen und wenig tauchtauglich aus) mal eben am Vormittag alleine ohne Tauchpartner auf eine Wassertiefe von 90+ Metern versenkte. Das mit dem fehlenden Tauchpartner geht ja noch in Ordnung, wer macht denn freiwillig so einen hochgefährlichen Schwachsinn mit? Na ja, und das mit dem Tauchen in Zustand der Trunkenheit mit Restalkohol im Blut darf man auch nicht immer sooo eng sehen, denn der Herr hat mal in der Taucher-Newsgroup die These vertreten, er sei bei 50 Metern mit einer Flasche Wein intus völlig klar im Kopf. Na dann: „Wohl bekomm’s!“ Die einschlägigen tauchmedizinischen Veröffentlichungen scheint er übrigens nicht zu kennen, denn die führen ganz andere Sachverhalte zum Thema „Tauchen unter Alkoholeinfluss“ aus. Und damit dürften sich erhebliche Schwierigkeiten ergeben, die These zu belegen, auch mit einer gravierenden Menge Restalkohol im Blut nebst Schlafmangel tauche es sich ganz prima. Fazit: Soviel vorsätzlicher Leichtsinn und Unverstand schlägt nicht nur einem Fass den sprichwörtlichen Boden aus.

Dann fiel eben dieser Mensch auch noch dadurch auf, dass er nach einem längeren Tieftauchgang wohl erkennen musste, dass die Planung seines Luftvorrates (wenn es denn überhaupt eine gab) gerade wohl ziemlich heftig danebengegangen war. So musste er sich dann bereits für die tieferen Dekompressionsstufen unterhalb von 3 Metern Wassertiefe eine Zusatzflasche von Bord herunterreichen lassen, da sein eigener Luftvorrat für ein regelgerechtes Austauchen offenkundig nicht mehr ausreichend war. Er spielte diese gravierende taucherische Fehlleistung, die bekanntermaßen im ungünstigsten Falle in den Rollstuhl oder zumindest in die Druckkammer führen kann, dann abends beim Essen allerdings in gewohnt lässiger
Manier herunter. Schließlich ging es um sein eigenes Fehlverhalten, da ist man naturgemäß ja gerne mal etwas großzügiger, was aber nichts am Sachverhalt ändert. Wenn einem Taucher bereits bei den tieferen Dekostufen das Atemgas ausgeht und nicht erst in den letzten fünf Minuten – was schon unschön genug wäre –, sind wohl Fragen hinsichtlich der Fähigkeit angebracht, anspruchsvolle Tauchgänge sachgerecht zu planen und dann aber auch vernünftig durchzuführen. Mit wenig Luft in der eigenen Flasche regelgerecht auszutauchen oder fast ohne Luft am Dekoseil anzukommen sind halt zwei gänzlich verschiedene Paar Stiefel. Nicht gerade sehr vorbildhaft, die erste Alternative zu wählen.

Apropos „Vorbild“: Wenig als Vorbild für junge (und auch alte 😉 ) Taucher geeignet ist wohl auch die Demonstration dieses Mittauchers, dass die exzessive Verwendung von Genussgiften nicht nur im Falle des Alkohols der taucherischen Betätigung mitnichten abträglich sei. So war auch der „blaue Dunst“ entsprechend gefragt und es wurde nötigenfalls auch noch bis wenige Sekunden vor dem Einspringen in das Wasser genussvoll an einem Sargnagel gezogen. Wenn die Sucht ausreichend stark ist, wird der Rauchgenuss beispielsweise nach der eigenen Mahlzeit auch dadurch nicht weiter gestört, dass andere am Tisch noch ihre Nudeln löffeln. Die entsprechende Mengen an Kippen, die dabei dann pro Tag anfielen, wurden gerne ebenso profimäßig wie lässig direkt über die Reling ins Meer entsorgt. So viel Umweltbewusstsein und Mitdenken in ökologischen Fragen beeindruckt. Dafür darf man dann als Chef vom Dienst auch mal andere richtig abkanzeln. Schließlich zeigt man ja permanent, dass man „The leader of the pack“ und damit ein wahres Vorbild unter und über Wasser ist.

Spannenderweise hatten dieser Herr Frey und sein Kumpel Berger (beides Kettenraucher der übelsten Sorte und sowas von notorisch unfit) ihre Tauchgangsplanung überhaupt nicht im Griff. Man sah sie gelegentlich bei Ende des Tauchgangs unter dem Boot hängen mit noch ordentlich Dekozeit auf der Uhr während man ihnen von oben volle Flaschen anreichte, weil in den mitgeführten der Innendruck fast auf 0 abgesunken war. Schlechte Taucher, die in der NG d.r.s.t aber stetig einen auf „dicke Hose“ und „Tieftaucher“ machen.

Gelernt habe ich durch das Beobachten von Menschen (und in diesem Falle trifft dies 100%ig zu), dass die Art der Selbstdarstellung in der wie auch immer gearteten Öffentlichkeit und die wirklich vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person sehr oft diametral entgegengesetzt sind. Anders gesagt: Je lauter einer dröhnt, desto weniger kann er i. d. R.. In einer Newsgroup kann man gerne und weitgehend widerspruchslos den tollen Taucher geben. Die Wirklichkeit zu bestehen ist da fallweise schon wesentlich schwieriger.

Der so vorbildliche ‚Chef‘ hatte natürlich noch einen Adjutanten, der sich eilfertig darin ergab, ihm plichtschuldigst beizuspringen, während die Masse konsumierte. Aber der ist eigentlich ohne Relevanz. Abgesehen davon, dass der Adjutant seinen geglückten 108-m-Tauchgang abends zuvor mit einer Flasche Sekt an Bord feiern musste und uns endlich mal einen „Grund“ zum Feiern lieferte. Da konnte man mal live und in Farbe erleben, wie sich physisch ausgewachsene Männer im Stile 18-jähriger postpubertärer Bürschchen generierten und das Spiel „Wer hat den Längsten?“ statt mit dem Durchmesser des Auspuffs ihres getunten Golf GTi mit den Meterangaben auf ihren Tauchcomputern spielten. Und das war dann nur noch peinlich.

Was es sonst noch gab…

Ein Tauchunfall

Während der Reise war ein leichter Fall von DCS I zu verzeichnen. Die betreffende Person machte am Nachmittag einen Wiederholungstauchgang vor Vulcano bei Testa grossa („Dicker Kopf“) in eine maximale Tiefe von 70 m mit 14 Minuten Grundzeit und entwickelte sofort nach dem regelgerechten Austauchen dennoch Gelenkschmerzen im Arm und rote Flecken im Bauchbereich. Sie wurde dann zunächst an Bord mit normobarem Sauerstoff versorgt, der bereits Linderung brachte, und anschließend von der Küstenwache in Begleitung eines weiteren Tauchers und mir in das Krankenhaus von Lipari gebracht, wo bereits eine einzige Druckkammerfahrt ein völliges Verschwinden der Symptome erbrachte. Nach einer Nacht zur Beobachtung und einer weiteren kurzen Fahrt in der Rekompressionskammer wurde der Taucher tags darauf gegen Mittag wieder an Bord genommen.

Exkurs zu „Testa grossa“: Dieser Tauchplatz wird des Weiteren auch einer Taucherin in denkwürdiger Erinnerung bleiben, die man als gut geübt und hinreichend erfahren bezeichnen kann. Jedenfalls macht sie pro Jahr ca. fünfmal so viele Tauchgänge wie mancher Obertaucher. Sie und der später verunfallte Taucher kamen beim ersten TG des Tages nämlich ein wenig vom Kurs ab, landeten dadurch hinter einem Felsen außerhalb des Sichtbereichs der Florette und mussten sich daher ‚per Anhalter‘ mit einem anderen Schlauchboot zur Florette zurückfahren lassen. Eigentlich ja alles gar kein Problem. Von den anwesenden Obertauchern wurde dieser kleine Lapsus später jedoch nichtsdestotrotz sehr gerne, lang anhaltend und vor allem entsprechend hämisch und süffisant kommentiert. Denn schließlich machten solche Herren ja immer alles richtig, wie die oben genannten Beispiele zeigen. Und Fehler (reale oder vermeintliche) machen vor allem Spaß, wenn andere sie machen.

 

Zurück zum Tauchunfall: Der Tauchgang, nach dem die Symptomatik bei dem Taucher auftrat, wurde von mir geführt. Die Austauchregeln wurden nach dem im SBTC implementierten, auf Bühlmann basierenden Rechenverfahren durchgeführt. Allerdings wurden die Übersättigungstoleranzen zwecks schonender Druckentlastung bereits um den Faktor 1,3 kritischer angesetzt, d. h. die Dekompressionszeiten waren gegenüber dem ursprünglichen Parametersatz des Bühlmannverfahrens deutlich verlängert. Auch der vom verunfallten Taucher verwendete Suunto-Computer zeigte eine regelgerechte Dekompressionsphase. Ca. 10 Minuten vor dem endgültigen Auftauchen las ich den Rechner des Tauchers nochmals ab, bereits hier war keine Dekompressionspflicht mehr angezeigt.

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Allerdings hatte der Verunfallte am Vormittag bei dem ersten Tauchgang eine nicht unerhebliche Vorsättigung erhalten, da sein Tauchgang nach Erreichen der Maximaltiefe vom 70 m noch länger in Tiefenbereichen verlief, in denen sich die langsameren Kompartimente noch aufsättigen, während die schnellen von der vorangegangenen tiefen Phase bereits wieder entsättigten. Die Oberflächenpause betrug ca. 4 Stunden.

Hier wurde wieder einmal deutlich, dass Tauchcomputer die realen Verhältnisse im menschlichen Körper im Einzelfalle nur sehr ungenau wiedergeben können und dass bereits zwei Tauchgänge innerhalb von 24 Stunden zu viel sein können.

„Geschwätzgebabbel“

Der glimpflich verlaufene Unfall bot allerdings den mitreisenden Vielschreibern der Newsgroup, die zu diesem Zeitpunkt seit fast zwei Wochen auf Veröffentlichungsentzug und daher entsprechend angespannt waren, einen unverhofften Anlass, ihren Triebstau zu beseitigen und nun für den gesamten Rest des Tages ihrer eher wenig ergiebigen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: dem Formulieren von Tauchthesen und vagen Unterstellungen im Hinblick auf all das, was „vermutlich“, „vielleicht“, „eventuell“, „womöglich“, etc. die Unfallursachen waren. Anschließend wurden pflichtgemäß noch die Aspekte moderner Tauchcomputer für das Dekompressionstauchen debattiert, allerdings ohne dass die meisten der Wortführer (unter ihnen der bereits oben erwähnte oberste Tauchgruppenführer) sich durch irgendwelche über das taucherische Allgemeinwissen hinausgehende Kenntnisse der mathematischen Dekompressionsalgorithmik oder die Programmierung von Dekompressionsrechnern hervorgetan hätten. Aber egal. Wie bei „richtigen“ Tauchern üblich, gilt der Satz: „Sachkunde kann eine lebhafte Diskussion nur behindern!“ (Zitat Uwe Stöckel).

Es muss, so wurde berichtet, darin geendet habe, dass man feststellte, der Verunfallte solle sich unbedingt auf ein offenes Foramen ovale (PFO) untersuchen lassen. Dass es von den „Dekompressionsexperten“ allerdings keiner für nötig befunden hatte, mal zur Abwechslung darüber zu diskutieren, wer denn den Verunfallten abends oder am nächsten Morgen im Krankenhaus (ca. 5 min. vom Hafen in Lipari entfernt, wo die Florette vor Anker lag) besucht, sondern dies großzügig und ausnahmsweise auch widerspruchslos Claudia und mir überlassen wurde (Claudia spricht hervorragend Italienisch und musste alle Fragen zwischen Arzt und Patient übersetzen und beim Ausfüllen der Formulare assistieren), ist ein kleines, aber nicht uninteressantes Detail am Rande.

A propos… Die Bauweise des Schiffs kann es kaum verhindern, sich die mitunter dröhnend vorgetragenen Thesen, Unterstellungen und Theorien mancher Anwesender, egal, ob sinnvoll oder nicht, dauernd antun zu müssen.Aber wie heißt es so schön? „Dumm g’schwätzt ist schnell.“ So boten zumindest die abendlichen Landgänge eine gute Möglichkeit, sich mal von der fabulierfreudigen Taucherschar abzusetzen und in einem abseits der großen Straßen liegenden Lokal die relative Stille zu genießen. Motorenlärm von Vesparollern klingt dann, verglichen mit der unablässig plappernden Tauchermasse, nachgerade wie Musik in den Ohren.

Tauchcomputertests

Ich nutzte die Reise insbesondere für intensive Tests mit dem SBTC, weil ich hier einerseits Tauchtiefen von über über 80 Metern erreichen konnte und zweitens das Gerät fast ständig im Dauereinsatz mit 2 TG pro Tag war. Der heimgebaute Dekompressionscomputer arbeitete wie nach den vorangegangenen ca. 180 Tauchgängen im Süßwasser zuerst ohne Beanstandung. Nur eines mochte er gar nicht: hohe Sinkgeschwindigkeiten. Er reagierte darauf mit völlig unsinnigen Anzeigen auf dem LCD, während dabei die Dekompressionsrechnung als solche aber völlig korrekt ablief (was man jedesmal erkennen konnte, wenn sich das Display wieder mal zum korrekten Arbeiten entschloss). Nach mehrtägigem intensivem Suchen und sukzessivem Ausschließen aller Fehlerquellen (wie z. B. hohe Luftfeuchtigkeit im Gehäuse, Akkuspannungsprobleme, Kontaktstörungen in der Displayleitung, Speicherfehler im „Flashmemory“, etc.) fand ich den Fehler letztlich dann in der Software der Nullzeitberechnung. Die entsprechende Funktion enthielt am Ende einen Programmteil, der wegen einer logisch falschen Abfolge von Befehlen zu einem Speicherschreibfehler führte, welcher sich dann in den Displayroutinen niederschlug. Nach Behebung dieses Fehlers war das Displayproblem verschwunden.

Das Mysterium der Schwarzen Koralle

Von den Obertauchern an Bord immer wieder erwähnt wurde die Schönheit der „Schwarzen Koralle“, die in Tiefen von 50 und mehr Metern anzutreffen ist. Am vorletzten Tag wurde vor Vulcano der Platz angefahren, an dem einige Vertreter dieser Spezies wachsen. Der vorher erwähnte oberste Taucher an Bord übernahm eilfertig die Tauchgangsorganisation (fast noch schneller als er den Küchendienst organisiert hatte, denn auch bei einer Reise für 1600,-€ muss man halt mal abtrocknen, das ist ja in jedem teuren Hotel so, dass auch die Gäste aus der Fürstensuite einmal pro Woche in die Küche einrücken müssen 😉 ), indem er ankündigte, den Diveguide zu spielen und all den Unwissenden an Bord die betreffende Stelle zu zeigen. So tauchte ein größeres Rudel gemeinsam dorthin ab. Da ich Rudeltauchen jedoch verabscheue und der Devise „Diveguides? No thanks!“ anhänge, verabsentierte ich mich beizeiten von dem Rudel und fand die betreffende Lebensform in 65 Metern Tiefe problemlos auch ganz ohne „Guide“. Letztendlich leider nur ein wenig graues Gestrüpp – das war’s. „Und deswegen machen die so einen Aufstand?“ fragte ich mich, die Stirn unter dem Rand der Tauchermaske runzelnd, beim Davonpaddeln.

Fazit

Mai più. Almeno non così.

 

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Bardbados – Tauchen im Disneyland

von Peter Rachow

Tauchen à la Disneyland

Im Januar 1996 stand nach vielen Jahren mal wieder ein Karibik-Urlaub auf dem Reiseplan. Meine Wahl fiel auf Barbados, weil die Insel „truely British“ sein soll. Außerdem wollte ich mal nach vielen Jahren wieder ein paar bunte Fische sehen (manchmal überkommen einen halt so unreflektierte Regungen).

Tauchen auf Barbados war aber, das muß man sagen, nicht so schön wie es in den Reiseprospekten angepriesen wird. Man spürt hier nämlich drastisch den Einfluß der amerikanischen PADI-Organisation, die mit ihren „Sicherheitsstandards“ alles ziemlich fest im Griff hat. Daß derlei Maßnahmen bisweilen nötig sind, konnte ich aber beim ersten Tauchgang gut beobachten. Trotzdem gilt: PAID -Tauchen? Nein danke!

Tauchbasis war das Westside Scuba Center in Holetown an der Westküste der Insel. Der Chef war Amerikaner, die Guides waren Einheimische.

Interessant waren die Tauchgäste. Dabei fiel mir zuerst auf, daß amerikanische Taucher keinerlei Instrumente zu besitzen schienen, bis auf den Finimeter, den sie aber nicht selber ablesen wollten, sondern der Guide kontrolliert periodisch die Druckmesser aller Taucher der Gruppe. Ein Taucher fragte erstaunt beim Anblick meines Boyle-Marriotschen Tiefenmessers, den ich als Redundanz neben dem Zeigertiefenmesser immer mitnehme: „Hey boy, what have you got there???“. Und eine Dekotabelle hatte er auch noch nie gesehen. Nun wunderte mich nichts mehr….

Das Abtauchen war voll organisiert und überwacht. Es lief immer nach der gleichen Prozedur ab: Alle springen ins Wasser, tauchen aber noch nicht ab. Der Guide gibt dann das Kommando „Guys, put your regulators in!“. Alle „Diver“ stopfen sich ihre Regler zwischen die Zähne und alle gehen unter und steigen gemeinsam ab. (Wahrscheinlich ist dem Guide mal ein Taucher ohne Mundstück unter Wasser gegangen und hat etwas Flüssigkeit zu trinken bekommen, seither dieses Verfahren) Unten, auf max. 25m versammeln sich alle und los geht’s.

Der einzig interessante Tauchgang ging zum Wrack der „SS Stavronikita“, ein Frachter der hier für die Touristen-Taucher mundgerecht versenkt wurde. Damit sich keiner innen verfangen oder gar verirren kann, geht es gruppenweise durch. Der Guide führt und die anderen im Gänsemarsch hintendrein. Und falls doch mal einer abhanden kommt: In den Rumpf und die Aufbauten hat man mannshohe Löcher geschnitten, so daß man an jeder Stelle wieder aus dem Wrack ins Freie kommt. Disneyland pur!

Glücklicherweise hatte ich bei dem Tauchgang einen Partner, der richtig tauchen konnte (er war kein Amerikaner!). Wir haben uns beizeiten abgesetzt und sogar einen richtigen Deko Tauchgang veranstaltet. Der Guide hat etwas konsterniert geguckt, als wir von 40m aufstiegen und erst mal Deko-Pausen einlegten, hat aber glücklicherweise nichts gesagt, denn die „Tiefen-Diskussionen“ mit typischen Guides sind wirklich lästig.

Noch 2 Bilder aus Barbados:

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Peter Rachow – FAQ zum Thema „Tauchen und Dekompression“

F: Was bedeutet „Dekompression“ und warum ist sie für den Taucher von Bedeutung?

A: Bei jedem Tauchgang mit Tauchgerät (ausgenommen solche, die mit 1-bar-Druckanzug oder reinem Sauerstoff durchgeführt werden) atmet der Taucher das Atemgas unter erhöhtem Druck. In jedem Atemgas (egal ob Luft, Nitrox, Trimix) befinden sich Anteile von sog. Inertgasen (z. B. Stickstoff oder Helium). Diese Gase sind normalerweise stoffwechselphysiologisch nicht wirksam, werden jedoch beim Atmen von der Lunge an das Blut abgegeben und lösen sich anschließend durch den erhöhten Umgebungsdruck beim Tauchen in den Körpergeweben, die mit dem Blut versorgt werden. Die in den Geweben bei einem bestimmten Druck gelösten Gase können nur solange in Lösung bleiben, wie der Umgebungsdruck (und damit der Partialdruck dieser Gase beim Atmen) nicht wieder absinkt.

Beim Auftauchen wird der Umgebungsdruck reduziert und die vorher durch den erhöhten Atemgasdruck in den Geweben des Körpers gelösten Gase werden freigesetzt und wieder an das Blut abgegeben, das sie wieder zur Lunge transportiert. Dies ist dann die sog. Dekompressionsphase .

Ein Tauchgang lässt sich also grob in 3 Phasen unterteilen:

Die Abstiegsphase mit ansteigendem Umgebungsdruck ( Kompressionsphase ) , hier beginnt die Lösung der inerten Gase im Körper.
die Isopressionsphase (Grundzeit, Umgebungsdruck bleibt [mehr der weniger] konstant), die Lösung geht weiter.
die Dekompressionsphase (sinkender Umgebungsdruck, die gelösten Inertgase, allen voran der Stickstoff, verlassen die Körpergewebe)

Abhängig von Menge und Maximaldruck der vorher gelösten Gase müssen bei Überschreiten bestimmter körperlicher Toleranzgrenzen bestimmte Austauchstufen eingehalten werden, um den jetzt wegen des abnehmenden Umgebungsdruckes aus den Körpergeweben frei werdenden Inertgasen die Gelegenheit zu geben, den Körper langsam zu verlassen. Geschieht dies nicht, wird also auf einmal durch zu schnelle Druckverminderung (i. e. zu schnellen Aufstieg) in eine zu kurzen Zeit zuviel Inertgas freigesetzt welches nicht voim Ort des Entstehens auf dem Bluttransportweg abgeführt weren kann, bilden sich Blasen aus freigesetzem Gas, die schwere gesundheitliche Störungen hervorrufen können ( Dekompressionskrankheit ).

Ziel der Aufstiegsverlangsamung ist es also, die pro Zeiteinheit freigesetzte Inertgasmenge zu begrenzen, um einen geordneten Abtransport des Inertgases zu ermöglichen. Ist der Aufstieg dagegen zu schnell, bilden sich im venösen Blut (dem „verbrauchten“, also zur Lunge hin stömenden sauerstoffarmen Blut) Gasblasen aus z. B. Stickstoff, die in der Lunge nicht abgegeben werden können und in das arterielle System des Kreislaufs übertreten.

Dort können sie Schädigungen verursachen, die von Gewebebeschädigungen (rote Flecken auf der Haut (Hämatome), Gelenkschmerzen, Hautjucken) bis zu Lähmungserscheinungen und Ausfall der Sinneswahrnehmungen reichen können.

F: Findet Dekompression bei jedem Tauchgang statt?

A: Ja. Die vorher beschriebenen Vorgänge finden bei allen Tauchgängen statt, bei denen nicht reiner Sauerstoff geatmet wird. Der menschliche Körper hat allerdings eine gewisse Tolerqanz gegen einen Überdruck der Inertgase in seinen Geweben, so dass explizite Dekompressionspausen beim Auftauchen während der Druckentlastung nur dann nötig werden, wenn bestimmte Grenzwerte für Tauchtiefe und Tauchzeit überschritten wurden. Der Physiker spricht in diesem Zusammenhang auch von einer sog. „Gasspannung“ unter der die in den Geweben gelösten Gase stehen. Diese Spannung lässt sich mit einer elektrischen Spannung gut vergleichen. Bei der elektrischen Spannung kann man sich eine Kraft vorstellen, mit der die Elektronen des Stromes angetrieben werden, bei der Gasspannung ist es eine Kraft, die das Bestreben hat, das Inertgas aus dem Gewebe heraus zu treiben.

Bleibt man insgesamt unterhalb eines bestimmten Wertes für die „Gasspannung“ so ist die „Austrittskraft“ der inerten Gase aus dem Gewebe hinreichend klein und man kann bei Beachtung einer bestimmten Aufstiegsgeschwindigkeit (meistens 10 m / min) den Tauchgang sofort beenden. Diese Zeit, bis zu der auf einer bestimmten Tiefe verweilt werden kann, ohne Dekompressionspausen einzuhalten, heißt “ Nullzeit „.

Allerdings kann auch nach Tauchgängen innerhalb der sog „Nullzeit“ bei bestimmten, ungünstig disponierten Menschen eine Schädigung durch unzureichende Dekompression beobachtet werden. Auch muss stets die maximal zulässige Aufstiegsgeschwindigkeit (i. d. R. 10m/min. oder weniger) eingehalten werden, da diese in die Berechnung der Dekompression nach einem Nullzeittauchgang einberechnet wird.

F: Sind Nullzeittauchgänge sicherer als Dekompressionstauchgänge?

A: Nein. Dies ist eine These moderner Tauchausbildung und ist nicht nur vereinfacht sondern falsch. Der Begriff „Nullzeit“-Tauchgang sagt lediglich aus, dass während des Austauchens keine Stopps eingehalten werden müssen, weil die Gewebesättigung mit Inertgas unterhalb einer bestimmten kritischen Schwelle geblieben ist und das Inertgas auf dem Weg zur Oberfläche durch die langsame Aufstiegsgeschwindigkeit wieder in ausreichend langsamen Maße abgegeben werden kann.

Wenn die max. Aufstiegsgeschwindigkeit, die der Berechnung der Nullzeit zu Grunde liegt, nicht überschritten wurde, wird es also in der überwiegenden Mehrzahl der Nullzeittauchgänge keine Dekompressionsprobleme geben, da das aufgesättigte Inertgas von Druck und Menge unterschwellig genug ist, zeitlich ohne durch Zwischenstopps erzielte Aufstiegsverlangsamung entsättigt zu werden..

Die Sättigung der Gewebe kann sich jedoch sehr dicht an der kritischen Grenze befinden, ab deren Überschreiten Dekompressionsstopps notwendig werden. Ob es zum Auftreten von Symptomen der Dekompressionskrankheit kommt, entscheidet sich nun zusätzlich an einer Vielzahl weiterer Faktoren. Siehe dazu die Frage nach den Risikofaktoren . Daher: Besonders Tauchgänge, die an die Grenze der sog. „Nullzeit“ führen, sollten kritisch betrachtet werden. Peter Rachow.

Physiologisch sind grenzwertige Nullzeittauchgänge und regelgerecht beendete Dekompressionstauchgänge gleichwertig. Mindestens ein Körpergewebe (das sog. „Leitgewebe“) ist noch so weit mit Inertgas beladen, dass die kritische Grenze, ab derer im Blut manifeste Gasblasen auftreten würden, rechnerisch gerade nicht erreicht wird.

F: Was ist eine Dekompressionskrankheit?

A: Sie ist die Folge einer unzureichenden Dekompression und damit meist von großen manifest (nachweisbar) auftretenden Gasblasen im Blut, die zu Gewebezerstörungen, lokalen Embolien, Blutgefäßverschlüssen etc. führen können. Aber auch bereits eine hohe Belastung mit sog. Mikrogasblasen kann Symptome hervorrufen, z. B. eine extreme Müdigkeit.

F: Risikofaktoren: Wer ist besonders anfällig für die Dekompressionskrankheit?

A: Neben einigen nicht näher bestimmbaren Faktoren sind dies i. W.:

Übergewicht (Fettgewebe bindet besonders viel Stickstoff, ist aber schlecht durchblutet)
Rauchen (die Durchblutung der Gewebe sinkt, d. h. das Inertgas wird nicht so schnell abtransportiert)
Vorher erlittener Dekompressionsvorfall (Es bildet sich vernarbtes Gewebe, das sehr intolerant gegen eine hohe Gasspannung ist).

Weiterhin sind Risikofaktoren: Flüssigkeitsmangel (Folge: schlechte Durchblutung), starke Auskühlung (mehr Inertgas löst sich im kalten Gewebe) und hohe körperliche Arbeit unter Wasser (mehr Gas wird veratmet).

F: Was bedeutet „inertes Gas“

A: Inerte Gase sind Gase, die keine (bio-)chemische Wirksamkeit entfalten, d. h. an Reaktionen (z. B. Stoffwechsel) nicht beteiligt sind. Sie können trotzdem im Körper wirksam werden, wie z. B. bei der Stickstoffnarkose („Tiefenrausch“). Diese hat aber keine chem. sondern physikalische Ursachen, da die Weiterleitung elektrischer Nervenimpulse in den Synapsen der Nerven durch Stickstoff unter hohem Druck gestört wird Peter Rachow.

F: Was ist besser für das Dekompressionstauchen geeignet: Eine Dekotabelle oder ein Dekocomputer?

A: Die Bedieung eines Dekocomputers erfordert im Extremfalle keine Kenntnisse der Dekompressionsverfahren. Man kann sich auf das Ablesen und die Interpretation der angezeigten Daten beschränken. Problematisch wird es, wenn mit dem Computer Dekotauchgänge durchgeführt werden, und das Gerät während des Tauchens ausfällt. Eine sichere Dekompression ist dann defintiv nicht mehr möglich, wenn keine Ersatzinstrumente mitgeführt und sachgerecht benutzt werden.

Die für die Anwendung der Dekompressionstabelle verwendeten Geräte (Taucheruhr, Tiefenmesser) sind technisch einfacher und habe eine geringere Ausfallwahrscheinlichkeit. Nachteil der Tabelle ist, dass nur Tauchgänge mit einer einfachen Profilstruktur geplant werden können (Sog. „Rechteck“- oder „Trapez“-TG, deren Profile wie die entsprechenden geometrischen Flächen aussehen).

Die Anwendung der Tabelle (insbesondere, wenn Wiederholungstauchgänge durchgeführt werden sollen) erfordert jedoch Sachkenntnis und Übung.

Empfehlenswert ist es, Deko-TG mit einer Dekotabelle zu planen und einen Computer als Sicherheitsreserve beim Tauchgang mitzuführen.

Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt die Verwendung einer Tabelle keine geringeren Wahrscheinlichkeiten für das Auftrreten einer Dekompressionskrankheit als die Verwendung eines Tauchcomputers, auch wenn theoretisch die Tabelle systembedingt mit höheren Sicherheitsreserven arbeitet (idealisiertem Rechteckprofil statt realem Tauchprofil).

F: Warum sind die Dekompressionsphasen beim Computer kürzer, wenn ich für den gleichen Tauchgang den Dekocomputer mit der Tabelle vergleiche?

A: Peter Rachow Der Computer berechnet die Inertgasaufsättigung ausgehend vom realen Profil des Tauchganges. Hier wird quasi im Takte weniger Sekunden ein identisches Abbild der Tiefen-/Zeitlinie erstellt und die Sättigung der Gewebe und damit die Dekompressionsregeln für den Tauchgang werden anhand der Profillinie berechnet. Die Tabelle dagegen geht von einem vereinfachten Profil aus, indem sie die gesamte Grundzeit auf der maximalen Tiefe rechnet. Dadurch wird die Dekompressionsphase deutlich länger, weil theoretisch mehr Inertgas aufgesättigt wird als das in der Praxis der Fall sein wird.

F: Kann ich auch mit einer Nullzeitentabelle Deko-TG planen?

A: Nein. Dafür sind diese Tabellen (z. B. PADI RDP) nicht gedacht und auch nicht geeignet. Das gleiche gilt für Nullzeitencomputer. Wer dekompressionspflichtige TG planen und durchführen will, braucht die entsprechenden richtigen Werkzeuge (z. B. die Tabelle Deco 2000).

F: Wie äußern sich Symptome einer unzureichenden Dekompression?

A: Durch Anzeichen der Dekompressionskrankheit (DCS) mit verschiedenen Ausprägungen

DCS Typ I mit Haut-, Muskel- und Gelenksymptome (‚Bends‘, also Gelenkschmerzen, die erträglicher werden, wen das Gelenk in Beugehaltung gehalten wird), Juckreiz der Haut, lokale Schwellungen, Rötungen, Blutergüsse.
DCS Typ II mit Nervenlähmungen, Bewusstlosigkeit, motorischen und sensorischen Störungen (Taubheit, Blindheit) oder Tod.

F: Ich habe gehört, dass der Körper für die Dekompression in verschiedene „Gewebe“ eingeteilt wird. Was hat es damit auf sich?

A: Es handelt sich um ein Hilfskonstukt, um Dekompressionsverfahren mathematisch berechnen zu können ( Dekompressionsmodelle ). Die inerten Gase lösen sich in unterschiedlichen Geweben des Körpers unterschiedlich schnell. Diese Zeiten nennt man „Halbwertszeiten“, also die Zeit, die ein Gewebe braucht, um die Hälfte des vorher bestehenden Inertgaspartialdruckes zum Maximaldruck aufzusättigen oder zu entsättigen. Die Toleranz dieser verschiedenen Modellgewebe (wie auch der realen Gewebe) gegen eine zu hohe Gasspannung („Inertgasüberladung“) ist ebenfalls unterschiedlich hoch.

Aus diesen Gründen hat man den Körper in mehrere modellhafte Teilgewebe untergliedert, die die verschiedenen Eigenschaften der Körpergewebe symbolisieren und auf deren Daten die mathematischen Berechnungen für die Dekompression beruhen. Diese Modellgewebe nennt man in der Fachsprache Kompartimente . Sie stellen reale Gewebe bzw Gewebegruppen vereinfacht dar. Meistens rechnen Tauchcomputer mit 8 bis 16 dieser theoretischen Gewebe, was den Körper und sein Verhalten in Bezug auf Gaslösung ausreichend genau abbildet.

Schnelle Gewebe sind z. B.: Blut, Nerven Rückenmark, Gehirn, mittelschnelle Gewebe sind z. B.: Muskeln, Haut und langsame Gewebe sind z. B.: Knochen und Knorpel. Hierbei gilt als Faustregel: Je besser ein Gewebe durchblutet ist, desto kürzer ist seine Halbsättigungszeit für das Inertgas und desto toleranter ist es gegen Übersättigung..

F : Was kann man tun, wenn man beim Dekomprimieren zu wenig Luft hat, um alle Dekompressionsstopps durchführen zu können?

A: Es gibt mehrere Handlungsalternativen:

1. Dekompressionsphase verkürzen: Hier sollte darauf geachtet werden, dass die tiefen Stopps (i. d. R. 15 m, 12m und 9m) in etwa mit der vorgeschriebenen Zeitplanung durchgeführt werden, denn hier werden Gehirn, Zentralnervensystem und Rückenmark entsättigt. Die hier betroffenen Gewebe haben glücklicherweise die höchste Toleranz gegen einen Inertgasüberdruck, sie ertragen hohe Gasüberspannungen besser. Problem: Unzureichende Dekompression bei diesen Geweben hat meistens schwerwiegende gesundheitliche Störungen wie Lähmungen und sensorische Ausfälle (Empfindungsstörungen) zur Folge.

Die flacheren Stopps (6m und 3m) können jedoch verkürzt werden, weil hier nur die langsamen Gewebe entsättigt werden. Diese Verkürzung der Entsättigungsphasen kann u. U. zu Symptomen wie Hautrötungen, Gelenk- und Muskelschmerzen aber i. d. R. nicht zu lebensbedrohlichen und/oder irreversiblen Schäden führen.

2. Dekompression kurz unterbrechen und neue Luft besorgen. Die Toleranzzeit liegt hier bei max. 3 Minuten, innerhalb derer wieder abgetaucht werden muss. Wenn Symptome der DCS auftreten, kann das Verfahren nicht mehr angewendet werden. Die Dekompression wird vom ersten Stopp wiederholt und, wenn möglich, die Zeiten auf den Stufen verdoppelt. Dieses Verfahren heißt “ nachgeholte Dekompession “

3. 100% Sauerstoffatmung nach dem Tauchgang an der Oberfläche: Weil kein Stickstoff mehr zugeführt wird, kann der aus den Geweben austretende Stickstoff schneller eliminiert werden, da das Inertgasgefälle zwischen Atemgas und Inertgas in den Geweben sehr groß ist (hoher Partialdruckgradient). Außerdem sättigt sich das Blut mit Sauerstoff, so dass die Vitalfunktionen des Körpers stabilisiert werden. Die Weiterbehandlung in einer Druckkammer und die Atmung von Sauerstoff unter erhöhtem Druck sind angezeigt.

F: Ich hörte die beiden Begriffe „nasse Rekompression“ und „nachgeholte Dekompression“. Meinen sie das Gleiche?

A: Nein. Die nachgeholte Dekompression kann angewendet werden, wenn man nur kurz an der Oberfläche verweilt hat, z. B. um sich neue Luft zu beschaffen o. ä. Bei ihr sind noch keine Symptome der DCS aufgetreten. Es wird nur die Dekompressionsphase wiederholt, allerdings mit Verdopplung der Zeiten auf den einzelnen Stufen.

Die nasse Rekompression wurde früher angewandt, wenn ein Taucher bereits Symptome zeigte. Es wurde auf eine große Tiefe (> = 50 m) abgetaucht und dann der Tauchgang mit sehr großen Zeitverlängerungen auf den Dekostufen zu Ende geführt (extrem verlängerte Dekompressionsphase). Sie kann heute nicht mehr empfohlen werden, da z. B. der verunfallte Taucher instabil bezüglich seiner Vitalfunktionen werden kann oder durch die massive Auskühlung zusätzlich Schaden nehmen könnte.

F: Was sind Mikroblasen?

A: Auch beim regelgerechten Austauchen entstehen kleinste Gasblasen im Blut und anderen Geweben. Diese errreichen jedoch nicht die Größenordnung, um in großem Umfange schädlich zu wirken. Ihr Radius bleibt im Bereich einiger Mikrometer (Millionstel Meter). Sie führen jedoch dazu, dass der Gasaustausch in der Lunge behindert wird, das/die Inertgas(e) also nicht so effektiv abgegeben werden können.

Mikrogasblasen, wenn sie nicht von manifesten Gasblasen begleitet werden, sind ein Indiz für eine ausreichende Dekompression. Neuere Dekompressionsverfahren wie das VPM- oder RGBM-Modell versuchen bereits, die Mikrogasblasenbildung auf rechnerischem Wege zu minimieren, weil man davon ausgeht, dass es sich um eine Vorstufe manifester Blasen handelt. Eine Folge ist, dass die Dekompressionsphase nach diesen „modernen“ Verfahren früher beginnt als nach den „klassischen“ Dekompressionalgorithmen (z. B. dem Bühlmann-Verfahren))

Diese Blasen werden unwissenschaftlich auch als „stumme Blasen“ bezeichnet.

F: Was sind Dekompressionsmodelle?

A: Dekompressionsmodelle versuchen, die Abläufe der Gasauf- und entsättigung im Körper mathematisch nachzubilden, um sie berechenbar zu machen.

Es gibt die sog. „Klassischen Modelle“, zu denen z. B. die Arbeiten von Haldane zu Ende des 19. Jh. zählen und die Ableitungen von A. A. Bühlmann Peter Rachow aus den 70er und 80er Jahren des 20. Jh.. Diese Modelle werden auch als Kompartiment-Modelle bezeichnet, da sie auf der Unterteilung des Körpers in Teilgewebe beruhen (sog. Kompartimente). Sie definieren für diese Kompartimente Halbwertszeiten für die Sättigung und Entsättigung des Gewebes unter Druck und stellen Werte für den Inertgasüberduck auf, den jedes Gewebe beim Austauchen symptomlos tolerieren kann.

Neue Modelle (VPM=variable permeability model, RGBM=reduced gradient bubble model) widmen sich mehr den physikalischen Vorgängen bei der Gasblasenbildung während der Kompression und Dekompression (Abtauch- und Auftauchphase). Aber auch hier wird der Körper in Modellgewebe unterteilt, jeodch steht die Blasenmechanik im Vordergrund und nicht die Toleranz der Körpergewebe gegen eine Übersättigung mit Inertgas.

Alle diese Modellle sind nur mathematische Annäherungen mit einer begrenzten Genauigkeit. Sie sind in sich geschlossen, decken jedoch nur einen Teil der in der Realität wirkenden Faktoren ab. So ist es z. B. nicht möglich, eine größere Anzahl Tauchgänge innerhalb einer kurzen Zeitspanne (z. B. 5 TG innerhalb 24h) zuverlässig zu berechnen, auch wenn Anbieter moderner Tauchcomputer genau dies vorgeben. Die Ursache liegt in der sehr komplexen Entsättigungsmechanik, die durch eine Vielzahl körperspezifischer Faktoren bestimmt wird, die nicht in die Rechenmodelle eingehen können, da sie von Individuum und seiner momentanen bzw. generellen Disposition bestimmt werden.

Auf den folgenden Gedankengang wies mich zusätzlich Karl Heser hin:

Da die Rechenmodelle durch empirisch ermittelte Daten überprüft werden, die zur Verfügung stehenden Datenmenge aber mit der Anzahl der Wiederholungs-TG geringer wird, da sich empirisch nicht beleibig viele Wiederholungs-TG in einem bestimmten Zeitrahmen durchführen lassen, differieren die errechneten Daten und die Realität mit der Anzahl der Wiederholungs-TGs zunehmend. Für den ersten Deko-TG sind deshalb die Modelle daher deutlich sicherer als für den 2+x-ten Wiederholungs-TG, auch wenn es sich dabei um sog. „Nullzeit-TG“ handelt. Siehe auch hier .

F: Wie kann ich die Dekompressionsphase verkürzen?

A: Nicht ohne technischen Aufwand. Es gibt verschiedene Möglichkeiten:

1. Als Tauchgas eines verwenden, das einen geringeren Inertgas- dafür aber einen hohen Sauerstoffanteil hat (z. B. Nitrox).
2. Während der Dekompressionsphase ein Atemgas mit hohem Sauerstoffanteil verwenden, z. B. Nitrox mit 80% O 2 oder reinen Sauerstoff.

F: Lohnt sich der Aufwand für eine Nitrox- oder Sauerstoffdekompression?

A: Nein, es sei denn man hat sehr lange tiefe Tauchgänge hinter sich, die Dekompressionzeiten > = 30 Minuten erfordern. Für TG in Bereiche von 50 bis 70 Metern max. Wassertiefe und Grundzeiten im Bereich bis max. 15 min. sind die Dekompressionszeiten mit Pressluft im praktikablen Bereich (ausreichender Luftvorrat und keine Probleme mit Auskühlung vorausgesetzt).

F: Worin liegen die Unterschiede der Tabellen Deco92 und Deco2000?

Die Unterschiede in den Dekompressionszeiten sind gering, jedoch hat die Deco 2000 deutlich kürzere Flugverbotszeiten. Bei der Deco 2000 werden weiterhin für einige Tiefen-/Zeitenkombinationen die Dekozeiten anders verteilt. Die Tendenz geht dahin, die Dekompressionsphase auf einer tieferen Stufe zu beginnen und dafür die flacheren Stufen geringfügig abzukürzen. Dies geschieht aus der Absicht heraus, die Bildung von Mikrogasblasen zu verringern.

F: Warum muss ich beim Tauchen in Bergseen länger dekokmprimieren?

A: Der Umgebungsluftdruck in der Höhe ist geringer als auf Meereshöhe. Nach dem Verlassen des Wassers wirkt nur noch dieser geringere Luftdruck auf den Taucher. Dadurch kann es (wie in einem Verkehrsflugzeug auch) zu dem Problem kommen, dass der Umgebungsdruck zu gering ist, das verbliebene gelöste Inertgas in den Geweben des Körpers zu halten. Die Folge wäre eine Dekompressionskrankheit. Daher muss der Taucher bereits im Wasser soweit entsättigt werden, dass das Inertgas in seinen Geweben auch unter dem geringeren Umgebungsdruck in diesen Geweben gehalten werden kann und keine Gasblasen auftreten.

F: Früher hat man beim Bergseetauchen einfach die normale Dekotabelle verwendet und einen Tiefenzuschlag gegeben. Ist das sinnvoll?

A: Nein. Dieses Verfahren führt zwar ebenfalls zu längeren Dekompressionszeiten, es ist aber nicht exakt, weil die verschiedenen Kompartimente des Körpers und deren Sättigung mit Inertgas nicht exakt abgebildet werden. Es liegt beim Tauchen in der Höhe schließlich keine höhere Inertgasaufladung vor, was einem Tiefenzuschlag entsprechen würde, sondern ein vermehrtes Bestreben des Inertgases, die Gewebe schnell zu verlassen, da der Umgebungsdruck gering ist. Dies ist mathematisch nur exakt abzubilden, wenn man Berechnungen verwendet, die den geringeren Umbgebungsdruck beim Verlassen des Wassers (also am Ende der im Wasser stattfinden Dekompression) mit einberechnen.

F: Im Urlaub mache ich manchmal 5 Tauchgänge am Tag. Nun hat mir jemand erklärt, dass das ungesund sei. Stimmt das?

A: Ja. Sogar sehr ungesund. Bei dieser Art des Tauchens sättigen sich besonders die Körpergewebe, die lange Halbsättigungszeiten besitzen, wie z. B. Knochen, Knorpel und damit die Gelenke mit Stickstoff auf. Die Stickstoffaufladung dieser langsamen Gewebe nimmt in der Folge mit jedem Tauchgang zu und kann in den Oberflächenpausen nicht signifikant verringert werden. Da die langsamen Gewebe das Inertgas auch nur sehr langsam abgeben, steigt die Aufladung mit Stickstoff im Laufe der folgenden Zeit permanent an. In bestimmten Fällen kommt es dann (meistens am 2. oder 3. Tag) zu Symptomen der Dekompressionskrankheit Typ I, insbesondere wenn andere Risikofaktoren hinzukommen.

Unsinnig, ja nachgerade dumm, ist in diesem Zusammenhang auch die Argumentation „Das habe ich viele Jahre so gemacht und mir ist nichts passsiert“. Erstens ist diese Aussage zutiefst unwissenschaftlich, da das, was für einzelne Personen gilt, für ein großes Kollektiv nicht gelten muss. Zweitens ist über die Spätfolgen eines solchen Verhaltens wenig bekannt. Betrachtet man allerdings tauchmedizinische Breitenstudien (z. B. Reul et. al.), kann man ein derartiges Tauchverhalten zumindest nicht als risikolos bezeichnen.

F: Kann mein Computer das nicht berechnen?

A: Nein. Nicht exakt. Der Computer berechnet eine Entsättigung anhand theoretischer Modelle . Diese Modelle sind relativ genau, solange nur wenige Tauchgänge pro 24 h Periode unternommen werden (max. 2 TG/Tag). Ab einer bestimmten Anzahl von Wiederholungstauchgängen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne wird die Entsättigung zunehmend durch die Inertgasabgabe selbst gestört. Mit anderen Worten: Die Entfernung des Stickstoffes aus dem Körper verlangsamt sich, weil der zu entfernende Stickstoff die Gasabgabe in der Lunge blockiert. Es kommt zu einer teilweisen Blockade der Lungenbläschen durch Mikrogasblasen und damit zu einem reduzierten Gasaustasch.

Andere Dinge wie Austrocknung des Körpers tun ein übriges. Die Entsättigung kann also primär deshalb nicht mehr exakt kalkuliert werden, weil der Computer und das Rechenmodell Peter Rachow nicht alle Rahmenbedingungen kennen können, denen der Taucher unterliegt.

F: Was bedeutet der Begriff „isobare Gegendiffusion“?

A: Isobare Gegendiffusion bezeichnet eine Problematik, die auftreten kann, wenn beim Tauchen auf einer bestimmten konstanten Tauchtiefe oder Dekompressionstufe (isobar = gleicher Druck) von einem Atemgas auf ein anderes gewechselt wird. Dies insbesondere deshalb, weil andere Inertgaskomponenten andere Diffusionsgeschwindigkeiten haben als der in der Luft enthaltene Stickstoff. Helium, das beim sog. „Mischgastauchen“ verwendet wird, hat z. B. eine um den Faktor 2,63 höhere Diffusionsgeschwindigkeit als Stickstoff. Die mögliche „isobare Gegendiffussion“ ist daher primär relevant beim Tauchen mit verschiedenen zeitlich abwechselnden Inertgasen.

Beim Mischgastauchen ist dies zum Beispiel dann der Fall, wenn beim Abtauchen von einem Gas mit einer hohen Stickstoffraktion (wie z. B. Luft oder nitrox) auf ein Gas mit einer geringen Stickstoff- dafür aber mit einer hohen He-Fraktion gewechselt wird (Trimix).

In diesem Falle (Wechsel von Nitrox/Luft-Gemisch auf Trimix mit He-Anteil) besteht nun rein theoretisch die Problematik einer übermäßigen Inertgasspannung in den Geweben. Dies begründet sich deshalb, weil Helium schneller in die Gewebe eindiffundiert als Stickstoff abgegeben wird. Jetzt kommt es zumindest zeitweise zu einer theoretisch erhöhten Inertgasaufladung des Gewebes und damit bei gegebenem konstantem Umgebungsdruck zu einer Übersättigung..

Wissenschaftlich belegt ist die praktische Relevanz dieser Problematik jedoch nicht, was auch damit zu tun haben dürfte, da dieser Gaswechsel in die Abtauchphase fällt und sofort nach dem Gaswechsel eine weitere Druckzunahme auf den Körper einwirkt, was die Gasüberspannung im Gewebe im Vergleich zum Umgebungsdruck herabsetzt. Dabei hat man nun jedoch strenggenommen keine „isobare“ Situation mehr, da ja eine weitere Druckzunahme zu beobachten ist.

F: Was sind M-Werte?

A: Diese Bezeichnung geht auf den amerikanischen Dekompressionsforscher Workman zurück. Sie sind ein Synomym für die Bühlmannschen Übersättigungstoleranzen der Gewebe.

F: Was sind reverse Tauchprofile und welche Dekompressionsregeln ergeben sich?

A: Ein reverses (inverses) Tauchprofil bedeutet, dass der Wiederholungstauchgang nach einen Ersttauchgang tiefer als dieser ist. Welche Dekompressionsprobleme ergeben sich daraus?

Im Wesentlichen bestimmt die angenommene Dekompressionstheorie, die der Dekompression zugrunde gelegt wird, welche Implikatiomem sich ergeben. Die bekannte Aussage „tiefster TG zuerst“ stammt absurderweise aus einer Zeit, als Gewebemodelle (Haldane et. al.) die hauptsächlich verwendeten waren. Es gibt interessanterweise im Gewebemodell aber keinen Grund, warum die vorher zitierte Aussage gelten soll. Dies wird erst bei den Blasenmodellen (VPM, RGBM) nachvollziehbar, weil hier das Tauchprofil Blasengröße und -aufkommen beeinflusst.

Gewebemodelle definieren Inertgasspannungen im Gewebe und gleichen anhand errechneter oder ermittelter Übersättigungstoleranzen die tolerierte Gasspannung ab. Ein Bezug zum Tauchprofil (sieht man mal von der Tatsache ab, dass Inertgasaufsättigung der Gewebe u. a. eine Funktion des Tauchprofiles ist) kommt hier nicht vor.

Die Erklärung ist die, dass man früher, zumindest partiell, davon ausging, dass eine Rekompression von sich nach der Dekompression noch in den Geweben (respektive dem Blut) befindlichen Inertgas(mikro)blasen auf einen höheren Umgebungsdruck ein Einschwemmen dieser dann komprimierten Blasen in kleinste Kapillargefäße befördern würde. Dies sollte verhindert werden.

Wenn man jedoch Blasenmodelle heranzieht, die definieren, dass Blasen unterhalb eine sog. „kritischen Radius“ auch bei der Dekompression keine Ausdehnung erfahren, kann man ableiten, dass bestimmte Gasblasen, deren Radius nämlich klein genug ist, dadurch stabil bleiben. So betrachtet ist die vorstehend ausgeführte, „historische“, Erklärung ad absurdum geführt.

Zieht man nochmals Blasenmodelle heran, sieht der Sachverhalt so aus, dass das Tauchprofil die Blasenbildung beeinflusst. Schnelle Abstiege und langsame Aufstiege führen beispielsweise zu kleineren Blasen als z. B. Jo-Jo-TG.

In einem Text von Yount et. al. wird ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Blasenbetrachtung, der tiefste Punkt eines Tauchgangs oder eben eines Tauchgangspaares zuerst aufgesucht werden sollte. Dadurch erhält man den maximalen Druck, der auf die entstehenden Gasblasen einwirken kann, so dass diese auf ihren minimalen Radius zerkleinert werden können. Kleine Blasen sind vor dem Hintergrund dieses Modelles anzustreben, da sie bei der Dekompression wegen ihres spezifischen Radius, der nun kleiner ist als ein zu definierender „kritischer Radius“, ihr Volumen bei der Dekompression nicht vergrößern, da die Kraft Oberflächenspannung der Blase in Verhältnis zur expansiven Kraft ihres Inhalts, dies verhindert.

Weiterhin führt Yount aus, dass für den Fall, dass zwei Tauchgänge nacheinander ausgeführt werden sollen, die Blasenlast des ersten den zweiten mitbeeinflusst. Je größer diese ist, desto größere Einflüsse für den Wiederholungstauchgang ergeben sich. Da die Blasenproblematik mit der Zeit der Oberflächenpause abnimmt, werden die Einflüsse jedoch im Laufe der Zeit geringer. Daraus ergibt sich, dass der erste Tauchgang die höhere Belastung darstellen sollte.

Das nächste Problem betrifft die Blasen, die nach der Dekompression nach dem ersten Tauchgang im Körper verbleiben. Sie stabilisieren sich und dienen für die Blasen des zweiten Tauchganges als eine Art Kondensationskerne. Wenn der erste Tauchgang die Blasen durch einen hohen Umgebungsdruck „zerkleinert“, bleiben auch beim zweiten Tauchgang weniger Blasen zurück, da das Aufkommen an freiem Inertgas insgesamt geringer ist.

In der Praxis bedeutet dies für umgekehrte Tauchgangsprofile:

Tiefsten Punkt des jeweiligen Tauchganges zuerst aufsuchen.
Langsame Aufstiege.
keine abrupten, exzessiven Tiefenwechsel (sig. Jo-Jo-Tauchen ).
Sehr konservative Austauchphase.

Die ausschließliche Zulässigkeit reverser Tauchprofile nur bei der Durchführung von Nullzeit-Tauchgängen zu postulieren, wie man gelegentlich lesen kann, ist i. W. unsinnig, da einereits schlecht definierbar ist, wo die sog. Nullzaiet aufhört und die Dekompressionspflicht beginnt und sich auch bei einem NZ-Tauchgang durch ein ungeschickt gestaltetes Austauchprofil eine signifikante Inertgasblasenbelastung ergeben kann. Für Nullzeit- und dekompressionspflichtige Tauchgänge gelten die gelichen Regeln, wenn man die Gasblasenentstehung beim Austauchen so weit als möglich verringern will.

F: Was sind die 90er- und die 7er Regel?

A: Mit diesen einfachen Kopfrechenformeln bzw. Tabellen lässt sich die Nullzeit auf einer gegebenen Tiefe näherungsweise ermitteln:

90er-Regel
NZ = 90 – 2 x Tauchtiefe [m]

Beispiel: Nullzeit in 35m Wassertiefe = 90 – 2 x 35 = 20 min.

7er-Regel

Man setzt an: Nullzeit auf 50m WT = 0 min., auf 40 m = 7 min. Alle 10m höher wird die Nullzeit verdoppelt, also auf 30m: 14 min., auf 20 m: 28 min, auf 10m ist die NZ dann unendlich.

Entnommen von http://www.peter-rachow.de

(C) Peter Rachow 2002